Wie soll ich weiterleben mit dieser Krankheit?

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Possible
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Wie soll ich weiterleben mit dieser Krankheit?

Beitrag von Possible »

Hallo liebe Forengemeinde,

Ich leide seit dem ich circa 11 bin (jetzt 24) an Hyperhidrosis (Ganzkörper) und ich halte diese psychische Belastung nicht länger aus.

Das erste Mal als ich gemerkt habe, dass ich unter Hyperhidrose leide, war bei der WM 2006. Ich war bei einem Freund eingeladen zum Fußball schauen, und nachdem das Spiel vorbei war sind wir aufgestanden und rausgegangen. Auf dem Platz auf dem ich saß war ein riesengroßer Schweißfleck, der durch mein Gesäß kam. Die Eltern meines Klassenkameraden haben gedacht ich hätte in die Hose gemacht, und ab dem Zeitpunkt fing der Albtraum an.

Seit diesem Tag bin ich kontinuierlich am Schwitzen... Anfangs waren es nur Gesäß und Achseln, im Laufe der Zeit aber hat es sich so entwickelt dass ich unkontrollierbar an JEDER Stelle schwitze (Achseln, Gesäß, Unterschenkel, Beine sehr extrem).

Ich habe ab einem bestimmten Zeitpunkt in meinem Leben nie wieder nur ein T-Shirt im Sommer getragen, sondern immer noch einen Hoodie dazu, oder eine leichte Jacke. Natürlich fragen mich alle Leute wieso ich bei gefühlten 40Grad Celsius eine Jacke anhabe, habe natürlich immer geantwortet dass mir nicht heiß sei und alle nahmen es so hin. Ich bin selber erstaunt darüber, dass aus meinem Umfeld bisher niemand davon weiß, klar gab es immer bremsliche Situationen wo jemand hätte etwas herausfinden können, dies hab ich aber weitestgehend verhindern können. Es gibt nur eine Person in meinem Leben die davon weiß, und das ist ein naher Verwandter.

Auf meiner Arbeit muss ich ein Hemd tragen (Im Sommer immer 2 T-Shirts drunter wegen den Schweißflecken) und ich bin immer kurz vorm überhitzen. Im Auto sitze ich 15 Minuten, und das Lenkrad rutscht mir fast schon aus der Hand, mein Rücken und Gesäß kleben quasi am Sitz, und man sieht sogar durch die Hose die Schweißflecken. Ich weiss das hört sich alles nicht so schlimm an, aber dies hat natürlich auch Auswirkungenen auf mein "Privat- und Liebesleben."

Jede Beziehung die ich hatte ist früher oder später am Schwitzen von mir zerbrochen. Stellt euch vor ihr liegt im Bett und der nebenan schwitzt bei -30Grad im Winter euch das ganze Bettlaken voll, wer will so jemanden?

Ich bin weiterhin gerne mit Menschen, ich habe keinerlei Angst vor sozialen Kontakten, allerdings lässt mich diese Krankheit nicht mein Leben leben wie ich es gern hätte.

Seit circa 2 1/2 Jahren habe ich starke Depressionen, die zu Selbstmordgedanken führen, und jeder Tag an dem es heißer und heißer wird, lässt meine Depression und meine Gedanken wachsen.

Ich habe jeden Tag eine verdammte Maske auf, alle Leute denken mir geht es gut, da ich ja einen guten Job habe, ein tolles Auto, eine schicke Wohnung. Und natürlich stimmt das ja auch, aber die Umstände mit der Hyperhidrose lassen alles andere unwichtig werden. Ich bin nicht glücklich. Ich hasse mich selbst und versuche mittlerweile schon garnicht mehr mir Ziele zu setzen, sondern lebe mein Leben nur noch für andere, andere glücklich zu machen, ihnen eine Freude zu machen, ist das einzige was mich noch hält. Natürlich auch der Gedanke meine Familie und Freunde alleine zu lassen, hält mich bisher von meinem Vorhaben ab.

Mein größter Wunsch war es immer eine Familie zu gründen, mit einer Frau an meiner Seite die mich liebt. Mittlerweile habe ich diesen Gedanken schon garnicht mehr, und sehe dies nur noch als eine Traumvorstellung. Es gibt meiner Meinung nach nichts mehr was mich hier hält, was meine persönlichen Interessen betrifft. Ich verfalle in Depressionen wenn Ich Menschen im Sommer mit kurzer Bekleidung sehe, und es gibt nichts mehr was ich mir in dem Moment wünsche, als mit dieser Person tauschen zu können. Wirklich nichts anderes.

Ich teile mit euch mein "Leid" da Ich diesen psychischen Druck den ich durchgehend habe, mit jemandem teilen muss. Mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich bereits mit diesen Bedingungen gelebt und irgendwann kann man einfach nicht mehr.

Mir ist natürlich bewusst, dass es viel schlimmeres gibt an Krankheiten und Schicksalsschlägen, und ich will hier definitiv kein Mitleid. Ich möchte nur meine Geschichte ein wenig mit euch teilen, dies hilft mir persönlich etwas.

Ich weiß auch, dass ich professionelle Hilfe Brauch (Psychologe), allerdings wird er die Hyperhidrose auch nicht heilen können. Seit über 10 Jahren bin ich in einer Sackgasse und weiß nicht mehr wie ich weiterleben soll. Ich kann einfach nicht mehr diesem psychischen Druck standhalten.

Danke für euer offenes Ohr.

LG
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Re: Wie soll ich weiterleben mit dieser Krankheit?

Beitrag von schwitzen_com »

Hallo Possible. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir nur raten mit dem Versteckspiel aufzuhören und möglichst offensiv mit dem Problem umzugehen! Dies ist in den allermeisten Fällen sehr befreiend.

Ich denke auch, dass es heutzutage Textilien gibt, die Dir zumindest in der Freizeit ermöglichen Shirt und kurze Hosen zu tragen, sei es weil diese eine Farbe / ein Muster haben, das Schweißflecken gut versteckt oder weil die Klamotten aus einem speziellen Stoff sind, der sichtbare Schweißflecken verhindert.

Neben einer Psychotherapie, die ich Dir allein schon wegen Deiner Verzweiflung anraten möchte wäre für mich vorstellbar, dass Du zusammen mit Deinem Haus- oder Hautarzt einmal eine medikamentöse Behandlung mit Anticholinergika wie Sormodren oder Vagantin versuchst.

Ebenso möchte ich Dir dazu raten die Hyperhidrose-Sprechstunde einer Uni-Klinik aufzusuchen.

Oder hast Du all das bereits versucht?
LG Sascha
Sascha Ballweg

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Re: Wie soll ich weiterleben mit dieser Krankheit?

Beitrag von Schweißbrille »

Kann mich Sascha da nur anschließen. So wie Du das beschreibst, bist Du da schon ziemlich in eine Negativspirale geraten, die es zu durchbrechen gilt.

Und wenn es mit der Suche nach den richtigen Ärzten etwas dauert, lass Dich nicht davon unterkriegen. Wenn jemand mit "schwitzen ist gesund" kommt oder so, weißt Du: Das ist die falsche Adresse. Wenn es eine explizit als solche benannte Hyperhidrose-Sprechstunde gibt, ist natürlich super. Es gibt auch Ärzte, die Hyperhidrose mit auf ihrer Homepage aufführen, meist Hautärzte oder Neurologen. Aber auch wenn nicht, hab ich das Gefühl, dass Hyperhidrose inzwischen bei Medizinern als Krankheit anerkannter ist als noch vor zehn Jahren oder so.

Die Daumen sind gedrückt und bei Fragen weißt Du ja, wo man sie gut stellen kann. ;)
Anastasius

Re: Wie soll ich weiterleben mit dieser Krankheit?

Beitrag von Anastasius »

Ich kann dich so gut verstehen...
Auch ich beneide ständig die Menschen, die (besonders im Sommer) einfach tragen können, was ihnen gefällt. Ich muss da schon ab 15 Grad 10x überlegen und brauche die Zwiebeltechnik... Allerdings habe ich jetzt Funktionswäsche für mich entdeckt! Die Kleidung ist damit zwar trotzdem feucht (also Umarmungen sind auch weiterhin nicht drin), trocknet aber sehr schnell. Allerdings sieht man auch damit Schweißflecken, AUßER bei Schwarz! Nachteilig an Kunstfasern ist der üble Geruch, der sich schnell festsetzt, aber da gibt es wohl spezielle Waschmittel. Muss mich da noch mal schlau machen.

Auch das Beziehungsproblem kenne ich. Wer mag sich schon mit jemandem zeigen, der ständig verschwitzte Klamotten hat oder gar müffelt? Wie sollen Umarmungen stattfinden, wenn man schweißnass ist? Wer hat schon gerne mit jemandem Sex, der bereits nach 5 Min. wie geölt aussieht?

Ich bin seit fast einem Jahr arbeitslos. Ein Grund ist tatsächlich das Schwitzen. Ich mag nicht unter Kunden gehen, und auch keine Arbeitskleidung tragen müssen. Mit diesen Aussagen braucht man den Leuten vom Arbeitsamt natürlich gar nicht erst kommen... Meine Psychologin versteht mich zwar, hat aber natürlich auch keine Lösung parrat.

Meine Strategie lautet jetzt ''Mit dem Kopf durch die Wand''! Zumindest was eine Beziehung angeht, ziehe ich mich nicht mehr zurück, sondern bin aktiv auf der Suche nach einer Partnerin. Ich spreche die Problematik auch ganz offen an.

Vielleicht solltest du damit anfangen, deinen Freunden davon zu erzählen. So als Übung, und auch als Erleichterung für dich selbst.

LG
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Re: Wie soll ich weiterleben mit dieser Krankheit?

Beitrag von schwitzen_com »

Anastasius hat geschrieben: 14.Jul 2020, 14:02 Meine Strategie lautet jetzt ''Mit dem Kopf durch die Wand''! Zumindest was eine Beziehung angeht, ziehe ich mich nicht mehr zurück, sondern bin aktiv auf der Suche nach einer Partnerin. Ich spreche die Problematik auch ganz offen an.
Top Einstellung - das wird sicher was.
Viel Glück :grpwave:
Sascha Ballweg

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